Gustav Kilian
Gustav
Kilian mit Jean Roth, mit dem er 1950 das ersten Nachkriegsrennen in
der Halle Münsterland gewann Hier als Ehrengäste bei einem
späteren Münsterschen 6-Tagerennen mit den Sportlichen
Leitern Willy Müller und meinem Vater Herbert Schürmann.
von links.: Jean Roth, Willy Müller,.Gustav Kilian,
Herbert Schürmann
(Fotoquelle:
Werner Engelmann)
|
Kilian, Gustav (Dortmund)
geb.: Luxenburg
(3.11.1907- .10.2000)
"6-Tage-Kaiser" mit
34 Sechs-Tage-Sieg
Gustav Kilian habe
ich perönlich sehr verehrt. Inbegriff eines Sportsmanns hat die
6-Tage-Legende als späterer Nationaltrainer den so berühmten
BRD Gold-Bahnvierer geschmiedet. Zwischen 1964 und 1976 führte er
den Deutschen Bahnvierer drei Mal zum Olympiasieg und gewann mit ihm
zwischen 1962 und 1975 fünf Mal die Weltmeisterschaft.
"Gus" oder "Der
eiserne Gustav" lebte vorbildlich das gesunde Leben eines wahren
Sportlers und pflegte selbst im Alter von 90 Jahren noch tägliche
50-60km-Ausfahrten mit dem Rennrad und hatte Ehrgeiz genug, sich selbst
in diesem Alter noch daüber zu ärgern, wenn weitaus
jüngere (-wie einfach-) Rennradfahrer ihn dann und wann auf seinen
Ausfahrten überholten.
Als Gustav Kilian 1994 im Alter von 87 Jahren meinem Vater Herbert
Schürmann das letzte Geleit gab, traf ich auf einen vitalen Mann,
der noch immer das Charisma eines großen Sportlers ausstrahlte.
In den Folgejahren zeigte er weiterhin großes Interesse am
Bahnsport und war u.a. stets Ehrengast des "Großen
Weihnachtspreises" in Dortmund.
Im Jahr 2000 verstarb Gustav Kilian in seiner Heimatstadt Dortmund
92jährig.
Quelle: "Radsport" Ausgabe 1957
- Artikel von Gustav
Kilian
DAS VERGESSE ICH NIE
Nur das „Putzlappengeschwader" war
Zuschauer
Veranstalter Chapman raufte sich die spärlichen
Haare
|
Das war damals so:
Wir, das heißt Heinz Vopel und ich, hatten in Montreal gegen das
„world - championteam" Letourneur-Giorgetti gewonnen. Wir haben von den
beiden wahnsinnig viel gelernt. Und so siegten wir auch in Pittsburgh
mit hoher Punktzahl ganz klar.
Wenig aufregend bisher. Aber dann kommt die Story, die ich nie
vergesse.Pittsburgh wird für uns zur wichtigsten Station unseres
Amerika-Aufenthaltes. Nach dem dortigen Sieg erreicht uns ein Telegramm
des größten USA-Veranstalters Chapman: „Ihr könnt In Chikago fahren.
Für 125 Dollar proTag!"
Sprachlos und aufgeregt laufen Heinz Vopel und ich
zu unserem Veranstalter Spencer. Der hält uns mit einem
verzwickten Zwei-Jahresvertrag fest. Ganz ruhig bleibt Spencer, als er
den Wortlaut des Telegramms gleichsam abtastet. Endlich sagt er in die
nervenzerfetzende Stille hinein.
„Ihr fahrt nach Chikago!
Und ihr beweist Chapman da, wer die besseren Fahrer hat!"
Wir wissen genau, was uns erwartet. 18 Mannschaften sind auf der Bahn.
Da gibt es kein Pardon. Fahren oder Sterben! Zuerst wird ein „Sterben"
daraus. Schon nach fünf Minuten haben wir den ersten Massensturz
zu überstehen. Das Rennen wird neutralisiert.
Am letzten Abend liegen wir mit sechs Mannschaften an der Spitze. Wir
haben zwar die meisten Punkte gesammelt, aber das nutzt nicht viel,
denn in Amerika entscheidet die Schlußstunde. Die Eintrittspreise
an diesem Abend sind verdoppelt, denn jetzt kommt die knisternde
Spannung einer Jagd auf Biegen und Brechen.
Wie gewöhnlich wird die Halle um 17.30 Uhr geräumt. Es ist
die tote Zeit, die die Brücke spannt vom Nachmittag zum wilden
Rennen der Nacht. Es sind die Stunden, in denen nach ungeschriebenem
Rennfahrer Gesetz der Mann auf der Bahn vor einem überraschenden
Angriff sicher ist.
Wir gehen vorsichtshalber nie in die Küchen, sind also immer auf
der Bahn, .um vor allen Zwischenfällen geschützt zu sein. Ich
habe mich gerade in dickem Pullover, mit Kniewärmer und
handgestricktem Wollschale, in die Koje gelegt und will eine
Viertelstunde pennen. Heinz bummelt mit den anderen gemütlich
unten auf dem „Teppich" herum.
Plötzlich reißt Miethe den Kabinenvorhang auf, rüttelt
mich wach und schiebt mir das Rad unter die Sitzfläche. Auf der
Piste sehe ich wie Schemen die „Roten Teufel" vorbeiflitzen. Ein
grandioser Ansturm! Heinz bemüht sich verzweifelt, die
wieselflinken Vorstöße abzustoppen. Auch er fährt in
dicker Wollkleidung. Nur der Wettfahr-Ausschuß und die
Putzfrauen, die vor Schreck die Eimer fallen lassen, sehen den
Rundengewinn von Letourneur und Debaets.
Bei jeder Ablösung mit Heinz fliegt ein Stück Wollverpackung
auf die Bahn. Nach etwa zehn Ablösungen sind wir endlich
rennmäßig gekleidet. Und Werner Miethe pfeift, pfeift fast
ohne Unterbrechung. Das Zeichen für uns, "auf Draht zu sein und
schneller zu werden". Wir werden zur Maschine. Für uns geht es um
alles. Eine zwei stündige Hetze hat begonnen, die nur vom ,
Putzlappengeschwader" gewürdigt wird.
Als die ersten Zuschauer in die Halle kommen, ist das Chikagoer
Sechstagerennen entschieden. Wir liegen mit sieben Runden vorn! Das
Publikum ist glatt um den Endkampf geprellt, denn was jetzt auf der
Bahn herumkrebst, das sind Rennfahrer, die mausetot sind, die nicht
einmal ein Straßenrennen gegen einen Jungen aus Brooklyn gewinnen
würden.
Veranstalter Chapman rauft sich die spärlichen Haare. Die
Menschen, die doppelten Eintritt für die Sdilußnacht bezahlt
haben johlen auf uns ein, aber kein noch so lautes „he, hee, heee" kann
die Fahrer aus der Ruhe bringen.
Den Sieg haben wir Werner Miethe zu verdanken, der in den
entscheidenden Minuten die Nerven behielt. Das meint auch Spencer, der
abends in der Loge sitzt und Sekt schlürft. Er hat nun seine
Klassemannschaft! Chapman ist geschlagen!
|
|