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Clemens
Schürmann
Lebenslauf als Rennfahrer
(beschriebener Zeitraum 1888-1909)
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Am 24.
Mai 1888 wurde ich als Sohn des Bildhauermeisters Carl Schürmann
zu Münster i./Westf. Geboren. Nebenbei bemerkt sei, mein Vater war
zur Zeit Vorsitzender eines alten Münsterschen Radsportklubs. Im
Januar 1898 wurde uns der liebe Vater durch den Tod entrissen im Alter
von nur 47 Jahren.
Ich besuchte vom 6ten bis 14ten Lebensjahre die Volksschule und kam
nach Beendigung derselben bei einem Münsterschen Architekten als
Zeichner in die Lehre. Auf dem Büro war nun auch ein früherer
Amateur namens „Wagner“ beschäftigt als Techniker. Dieser war der
Freund meines Bruders, der auch früher Rennfahrer war. Zusammen
bildeten sie eine gute Tandemmannschaft und waren auf den
Westfälischen Bahnen unbesiegbar.
Das Interesse für den Sport scheint überhaupt in unserer
Familie erblich zu sein, und stieg dasselbe bei mir noch mehr durch die
Beobachtung des Trainings. Wenn dann die Herrn“ Rennfahrer“ mal die
Wirtschaftsräume der Rennbahn aufsuchten, oder sonst wie durch
Abwesenheit glänzten, dann kletterten wir - mein Spielgenosse und
bester Jugendfreund Max Dham und ich - auf die herrenlosen Räder,
um aber sogleich damit umzustürzen, denn unsere Beine reichten
noch nicht an die Pedale. Ich war nahezu 11 Jahre und konnte immer noch
nicht radfahren. Dann kam wieder einmal die Fastnachtszeit (Carneval)
an den drei Tagen ging mein Bruder zum Maskenball. Diese Gelegenheit
benutzte ich, um mir das Radfahren zu lernen, denn das Rad stand im
Hausflur, der ungefähr die Flächenausdehnung von 1,50m und
5,00m hat. Hier wurde nun an den Abenden geübt, und hat es mir in
dem winterlich, warmen Raum manchen Tropfen Schweiß gekostet. Was
lange währt wird endlich gut. So vergingen 3 Fastnachtstage die
mir aus dem Gedächtnis nie schwinden werden, und ich konnte
„radfahren“, hatte es mir außerdem allein gelernt. Als ich nun
einige Tage später das Rad meines Bruders im Hofe stehen bemerkte,
wollte ich mich auch einmal auf der Straße versuchen.
Anfänglich noch etwas unsicher, da mit die Wände zu beiden
Seiten fehlten, wo ich mich anlehnen konnte, falls ich das
Gleichgewicht verlor, aber der wunde Punkt war bald überwunden ,
denn „wenn der Wille da ist, so hat man schon halbe Arbeit vollbracht“.
Von dieser Zeit an war kein bekanntes Fahrrad für mich
unbrauchbar, ob hoch oder nieder, ob mit oder ohne Reifen. Wenn dann
mein Bruder am Sonntag zum Frühschoppen in der Stadt war, machte
ich mit seinem Rad Touren oder ging zur Rennbahn, um zu „trainieren“
aber immer heimlich, ohne seine Erlaubnis, da er mir ja jedenfalls eine
solche nicht gegeben hätte. Sehr oft war aber eine große
Tracht Prügel die Folge meines Vergnügens, wenn er mal
vorzeitig zurück kehrte und merkte, dass sein Fahrrad nicht da
war.(Mein Bruder ist 9 Jahre älter als ich.)
So
vergingen meine letzten Schuljahre. Außer der schönen freien
Zeit verlor ich auch noch meinen Freund Max Dham, da dessen Familie
nach Hannover ging. Derselbe war sehr stark gebaut und kaufte sein
Vater, der pensionierter Poastdirektor war, ihm eine Rennmaschine womit
er in Hannover zu trainieren begann, aber Gott hatte es anders
bestimmt. Er hat an einem Tage hinter dem Schrittmacher Douglas
gefahren und es ist am Motor ein Defekt eingetreten wodurch er zum
Sturz kam und sich innerliche Verletzungen zuzog, woran er nach zwei
Monaten erlegen ist. Wie ich die Nachricht vom Tode bekam, war ich so
traurig, dass ich ein ganzes Jahr lang die Lust zum Radsport verlor,
doch das Sprichwort sagt: „Es ist nichts eher vergessen als die Toten.“
Es ist wahr aber auch zugleich gut, dass es so ist. Langsam kam das
Interesse wieder.
Am 5ten September (19)05 war vom Gau 3 Westfalen ein Ausflug in die, in
der Nähe Münsters gelegenen Baumberge. Ich machte die Tour
mit. Am Nachmittag fanden dort verschiedene Rennen statt; um aber
mitfahren zu dürfen, musste ich erst dem Bunde angehören. Da
nun der Gaufahrwart zugegen war, wurde ich sofort aufgenommen und
konnte das Rennen bestreiten und gewann auch sämtliche Rennen, ein
langes und kurzes Bergfahren und ein Langsamfahren. Dieses war mein
erster Erfolg als „Rennfahrer“.
Am Sonntag darauf veranstaltete ein anderer Münsterscher
Radfahrverein ein Straßenrennen über 10km welches ich auch
gewann.
Der 8te Okt. 05 fand mich zum ersten Mal als Bahnfahrer. Der Gau hielt
in Münster seinen Gautag und wurden gleichzeitig an dem Tag
Radrennen für Bundesmitglieder abgehalten. Ich gewann das 20km
ohne Führung, das Vorgabefahren vom Mal und wurde im Hauptfahren
Zweiter hinter dem unter Protest fahrenden, jetzigem Dauerfahrer
Klöpper. Später wurde mir hierfür der erste Preis auch
zuerkannt.
Im Juli 06 fanden die selben Rennen beim Gautag in Dortmund statt,
hatten genau dasselbe Resultat und sei noch bemerkt, dass ich das
Hauptfahren gegen einen wirklichen Amateur verlor und das 20km zur
Hälfte mit gebrochener Lenkstange gefahren und auch gewonnen habe.
Jetzt kam eine Zeit, wo kein Rennen mehr vom Bund veranstaltet wurde,
und bot mir ein Münsterscher Sporthändler eine Maschine
gratis an; so startete ich am 14ten April 07 zum ersten mal als
Berufsfahrer in Münster und gewann an dem Tag das Hauptfahren vor
Hauk und Hottenrod und Raul. Am 5ten Mai fand das nächste Rennen
statt; ich wurde im Hauptfahren Dritter hinter Hellemann und Conrad. Im
Dauerrennen starteten an diesem Tage Stellbrink, Gror und Mast. Schon
beim ersten Rennen in der zweiten Runde stürzte Mast so
unglücklich, dass er sich den Oberarm doppelt brach. Damit nun in
dem darauf folgendem 50km Rennen wenigstens drei Fahrer auf der Bahn
sein sollten, so bat mich die Direktion das Rennen zu bestreiten. In
meinem jugendlichen Eifer war ich natürlich sofort bereit und ich
glaube dieses war das einzige Dauerrennen wo ich keine Furcht vor dem
Stürzen gehabt habe. Zwar noch nie hinter einem Motor gefahren und
ohne einige Proberunden zu machen, ging ich in das große Rennen.
Ich hatte das Gefühl, als führe ich hinter einer
großen, sich vorwärts bewegenden Wand. Die ersten 20km ging
es im Schneckentempo um die Bahn, dann sprach mir der Schrittmacher E.
Bärtling aber gut zu und munterte mich auf, so dass wir Gror
wenigstens etwas hielten wenn er passieren wollte. Die letzten 20km ist
er nicht mehr an uns vorbei gekommen. Durch dieses Rennen hatte ich mir
große Sympathien beim Publikum erworben und habe ich in dem Jahre
sämtliche Dauerrennen auf der Heimatbahn bestritten.
Beim nächsten Rennen am 9. Juni gewann ich die Meisterschaft von
Münster hinter(dem Schrittmacher) J. Käser, Zweiter Meisel,
Dritter Michaelis.
Am 7. Juli waren Hol und Bodewig meine Gegner doch stürzte an dem
Tage der nassen Bahn wegen in jeder Runde einer und im letzten 20km
Lauf brach ich mir durch Sturz das Schlüsselbein und habe dann
noch 6 Kilometer in meinem Eifer gefahren und das Rennen gewonnen, um
aber dann in der Kabine ohnmächtig zusammen zu sinken. Dieses ist
mal wieder ein Beweis, was Energie vermag zu tun. Es war nur ein
glatter Bruch und konnte ich schon 5 Wochen später wieder starten.
Ich sollte mich gegen den unglücklichen, mir so sympathischen
Verbist und Stellbrink messen. Durch mangelhaftes Training waren meine
Kräfte geschwächt und musste ich im ersten Lauf schon bei
20km aufgeben; im zweiten Lauf (50km) war ich bis zur letzten Runde
Zweiter als ich einen Moment vom Motor abgegangen war, mit dem
Gedanken, mein Reifen sei geplatzt und so wurde ich auch da Letzter.
Am 7. August standen im Programm Schulze, Schiefer, Schürmann. Die Rennen
gingen über 10, 20 und 30 Kilometer und ich wurde in allen
Läufen Erster vor Schulze und Schiefer, Letzterer hatte immer
Motordefekt.
Das interessanteste aller Dauerrennen in Münster war am 5ten
September. Ich trat gegen Bruni hinter Hoffmann und Schulze in
Konkurrenz über 10km und 1 Stunde. Im 10km Rennen wurde ich
Letzter. Beim Stundenrennen erhielt Bruni zuerst Anschluss, dann ich
und zuletzt Schulze. Da nun die Bahn flach ist und man deshalb schlecht
passieren kann, so haben wir das ganze Rennen auf eine halbe Runde
Abstand hintereinander gelegen. Es war ein fortwährender Kampf vor
mir das Geknatter und hinter mir dasselbe, bis in den letzten zwei
Minuten Bruni einen Moment schwamm und ich sogleich vorbei war und dann
Erster geworden bin in dem Lauf. Einen größeren Applaus habe
ich nie bekommen, auf den Schultern haben sie mich fortgetragen.
Nach meinem guten Abschneiden sollte ich noch mal gegen Stellbrink
starten und fand im Oktober ein Match statt in welchem Stellbrink
sicherer Sieger blieb. Zu berücksichtigen ist, dass ich zu fast
allen Rennen, die ich in der Saison bestritt einen anderen
Schrittmacher bekam da derselbe von der Direktion engagiert wurde und
ich immer nur drei Tage hinter einem Motor fahren konnte, da zu der
Zeit in Münster kein Schrittmachermotor war. So schloss die Saison
1907 während der ich nur einmal als Sieger noch in Crefeld
(Krefeld) startete und dort an dem Tage drei Rennen gewann.
Nachdem ich den Sommer über das übliche Halbjahr als Maurer
auf der Baustelle gearbeitet hatte, ging ich am 18ten Oktober zur
Baugewerkschule, um das Wintersemester mitzumachen und blieb dortselbst
bis zum 18ten März.
Den Sommer (19)08 brachte ich bei meinem früheren Chef auf dem
Büro zu. Die Lust zur Bestreitung von Dauerrennen war mir im
Winter ganz vergangen und nur weil ich noch ein Engagement zu
erfüllen hatte, startete ich am 31ten Mai gegen Stellbrink und
Günther und wurde auch jedes mal Letzter. Es fehlte eben der
Wille. Beim Eröffnungsrennen in Münster am 12ten April konnte
ich Stellbrink im Hauptfahren schlagen und das Handikap verlor ich nur
durch Sturz. Am dritten Mai fuhr ich mein einziges Dauerrennen
außerhalb und zwar in Dortmund gegen Nest und den Neger Spain, -
ich wurde Zweiter hinter Nest.
Nach der Zeit habe ich Fliegerrennen in Münster, Duisburg und
Cöln (Köln) gefahren, davon auch viele gewonnen.
Am 3ten Juli und 2ten August bestritt ich die Weltmeisterschaft welche
1908 in Berlin Steglitz abgehalten wurde. Die Rennen schienen für
mich aussichtslos und es war mein Zweck, nur mal eine Weltmeisterschaft
zu sehen. Ich war nun aber sehr von Fortuna
begünstigt und schon im Vorlauf zur Weltmeisterschaft konnte ich
Peter und Beltinger schlagen. Am Sonntag den 2ten August wurde ich im
Zwischenlauf von Ellegard und Arend geschlagen, gewann aber dafür
das große Weltmeisterschaftshandikap mit 60m Vorgabe. Durch diese
Erfolge hatte ich mir einen Namen erworben und wurde derselbe durch die
Sport- und Tageszeitungen schnell verbreitet.
Am folgenden Sonntag gewann ich in Münster die Fliegerrennen gegen
lokale Konkurrenz.
Am 23ten August wurde ich in Leipzig im Handikap Zweiter hinter
Ellegard und im Entschädigungsfahren Erster vor Poulier, Peter usw.
An den folgenden Sonntagen war ich in Magdeburg, in Hannover, konnte
aber nur Plätze belegen.
In Münster verlor ich wegen Felgenbruch das Hauptfahren gegen
Wegener, doch revanchierte ich mich im Meilenfahren welches ich gewann
und im Handikap wurde ich Dritter. (1.Pl. Wegener)
Am 4ten Oktober war mein letzter Start der Saison in Cöln
(Köln) und ich siegte im Hauptfahren gegen Moretti, Aschoff und im
Prämienfahren gegen Aschoff, Jottenrod. Damit schloss meine so
sehr vom Glück begünstigte Saison 1908.
Vom 18ten Oktober bis 18ten März 09 besuchte ich die Schule, um
das 3te der 5 Semester, die ich zu machen hatte, zu absolvieren. Nach
eifrigem Training fuhr ich mein erstes Rennen 09 in Berlin zu Ostern
und gewann an 3 Tagen 5 Rennen und wurde nur einmal Zweiter.
Am folgenden Sonntag in Düsseldorf wurde ich Dritter im
Hauptfahren hinter Aschoff und Wegener, im Meilenfahren aber Erster.
Die nächsten Sonntage war ich in Münster, Duisburg, Dortmund,
Düsseldorf und Cöln (Köln) am Start und hatte das
Glück fast sämtl. Rennen zu gewinnen.
Am 4ten, 8ten und 11ten Juni war ich zum Großen Preis in Paris,
doch blieb der erhoffte Erfolg aus.
In Aachen gewann ich an einem Tage 3 Rennen gegen Otto Meyer, Beltinger
und an einem anderen Sonntage dortselbst 3 Rennen gegen Moretti,
Aschoff, Bömer u.a.
Mein größter Erfolg in der Saison war am 1ten August, dem
Jahrestage der Weltmeisterschaft 08. Ich gewann in Düsseldorf den
großen Preis der “schönen Künste“ gegen Arend, Otto
Meyer, Mayor Tailor und Wegener. Am 8ten August gewann ich in Dortmund
wieder drei Rennen.
Die Weltmeisterschaft in Kopenhagen sah mich wieder am Start, und war
nebst Rütt der einzige Deutsche, der sich platzierte, denn ich
gewann das kurze Handikap vor Poulain und Versi und Rütt und im
Fremdenpreis wurde ich Zweiter hinter Rütt vor Nädela, Otto
Meyer, Arend u.a.
In Essen konnte ich an Messori Revanche nehmen und ihn im Hauptfahren
schlagen, ich blieb auch siegreich im Prämienfahren.
Bei einem Match am folgenden Sonntag gegen Arend und Barthel im
Botanischen Garten (Berlin)erreichte ich mit Arend gleiche Punktzahl
doch wurde Arend zum Sieger erklärt. Am 12ten September in
Steglitz verlor ich meine Aussichten durch Magenkrämpfe. In der
Meisterschaft von Deutschland wurde ich Dritter hinter Otto Meyer und
Beltinger vor Wegener. Ich gewann aber das Handikap vor Wegener,
Rüdela.
Nun ist halt wieder eine glückliche Saison vorüber und werde
ich am 19ten Oktober wieder zur Königlichen Baugewerkschule zu
Münster gehen
Clemens Schürmann
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